Die Anstandsreste zu verbrennen ist teuer

Die Ferienorte platzen in der Hochsaison aus allen Nähten und produzieren Abfälle
im Überfluss. Zermatt und andere Oberwalliser Destinationen planen die separate
Entsorgung der Speisereste. Im Prättigau ist das vor kurzem Tatsache geworden:
Dank den Gastroabfällen kann der Strombedarf von mehreren Hundert Haushalten
gedeckt werden.
Von Paul Knüsel nach einer Studie von Schürch Gastro Logistik, Zürich

Während den Ferien werden die Anstandsreste besonders gross: Die Gäste von Zermatt
hinterlassen jeweils Tausende von Kilo Essbarem auf ihren Tellern. Den Hotel- und
Restaurantbetrieben bleibt bis anhin abernichts anderes übrig, als diese Abfälle wegzuwerfen.

Bis zu sieben Tonnen Speisereste und Rüstabfälle täglich und 1200 Tonnen pro Jahr werden
somit – vermischt mit dem übrigen Hauskehricht – aus dem Mattertal hinaus und in die rund
40 Kilometer weit entfernte Kehrichtverbrennungsanlage in Gamsen bei Brig gekarrt.
Der Zusatzaufwand dafür ist beträchtlich. Denn ohne den organischen Anteil wäre der Zermatter!
Abfallberg um fast einen Fünftel kleiner.
Entsprechend hoch sind auch die Kosten für deren Entsorgung: Über 600000 Franken jährlich
bezahlt die Gemeinde für die Speisereste und wendet dafür noch allgemeine Steuermittel auf.
Aber nicht mehr lange, denn auch der autofreie Ferienort will das Verursacherprinzip einführen
und dazu die separate Verwertung der Biomasse organisieren.
Der Systemwechsel wäre ursprünglich für den Sommeranfang gedacht gewesen.
Doch die Diskussionen sind weiterhin am Laufen, weshalb der Termin vertagt werden musste.
Vor allem aber steht der Gemeinde eines im Weg: für die separate Verwertung der Gastroabfälle
stehen derzeit keine Anlagen zur Verfügung.

Das Verfüttern ist in der EU bereits verboten

Nicht in Betracht gezogen werden kann dabei das Verfüttern an Schweine. Im Mattertal gibt
es keine Mastbetriebe. Und sowieso wäre das ein Auslaufmodell: Aus Hygienegründen dürfen
die Küchenabfälle von den Fleischproduzenten im EURaum nicht mehr angenommen werden.
Auch Migros und Coop verweigern inzwischen die Annahme einheimischer Schlachtschweine,
die – obwohl hierzulande nach wie vor gesetzeskonform – mit eingekochten Speiseabfällen
gefüttert werden.
Deshalb werden die organischen Abfälle, die zu 80 Prozent aus Wasser bestehen,  im
Unterengadiner Ferienort Samnaun in der örtlichen Abwasserreinigungsanlage (ARA) getrocknet.

Für Zermatt kommt aber auch das Dehydrieren nicht in Frage. Zum einen würde der zusätzliche
Nährstoffeintrag die ARA Mattertal überlasten. Und zum andern bräuchte es für die
Methan-Gewinnung einen  Faulturm. Ein solcher ist allerdings in keiner Oberwalliser Anlage vorhanden.
Trotzdem: Die separate Verwertung Speiseabfälle wäre für Zermatt machbar – und gleichzeitig
könnte dabei noch Geld gespart werden, liess sich der Gemeinderat in einer externen Studie bestätigen.
Denn der seit Anfang Jahr vorliegende Bericht besagt, dass die bisherigen Entsorgungskosten
von über 500 Franken pro Tonne sogar halbiert werden könnten. Voraussetzung für diese
billige Verwertungsmethode sind aber mehrere kleine Trocknungsanlagen, die von den Hotel-
und Restaurantbesitzern selber angeschafft werden, und die die Biomasse durch ein
Verdampfen auf einen Bruchteil ihrer Anfangsmenge reduzieren lassen. Die verbliebene
Trockensubstanz kann als Dünger oder als Tiernahrung verwendet werden. Letzteres ist
von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Nutztiere inzwischen zugelassen worden.

Dieses Austrocknungsverfahren wird in der Schweiz bisher nur in der Lausanner Uni Klinik
angewandt. Schon seit längerem erprobt ist es dagegen in Asien, da dort aus traditionellen
Gründen keine Schweinemast betrieben wird. Einen Makel hat das asiatische Trocknungs-
verfahren aber auf jeden Fall: Zwölf Anlagen bräuchten die Zermatter Hotelliers.
Und zugleich ist deren Energieverbrauch derart hoch, dass die Investitionen im Walliser
Ferienort gescheut werden. Als nächstbeste Ersatzvariante erwähnt die Zermatter Abfallstudie,
von Schürch Gastro Logistik, die Vergärung in einer Biogas-Anlage. Auch damit könnten die
aktuellen Entsorgungskosten gesenkt werden – immerhin noch um einen Drittel.
Doch hier fehlen die Abnehmer: Konkrete Projekte zur anaeroben Vergärung der organischen
Abfälle sind in der Region Oberwallis – trotz mehreren Absichtserklärungen – nicht vorhanden.

Das Abholen der Speiseabfälle ist kostenpflichtig

Da ist die Tourismus-Landschaft Davos seit Anfang Jahr in einer komfortableren Lage:
Hier können die Speiseabfälle aus den Gastrobetrieben separat eingesammelt und einer
landwirtschaftlichen Biogasanlage zugeführt werden. Den Anstoss machte die Stadtbehörde.
Die Ausführung des Projekts liegt nun allerdings bei einem ansässigen Schweinemäster.
Sein unternehmerisches Risiko sollte sich jedoch bezahlt machen: Für das Abholen der Abfälle
verlangt er eine Entsorgungsgebühr.
Und zudem produziert er daraus Strom, den das Elektrizitätswerk Davos (EWD) übernimmt.
Die Biogasanlage soll bis zu 800000 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren können.
Was für den Bedarf von rund 500 Privathaushalten ausreichen würde.

Allerdings gibt der Davoser Biogas-Bauer nicht alles ab: Mit einem Achtel deckt er den
Eigenbedarf. Dieselbe Strommenge bezieht die Gemeinde.
Und den Rest kauft ihm das EWD zu einem Sonderpreis ab. Das Werk versucht nun
seinerseits,  diesen Ökostrom der Prättigauer Bevölkerung schmackhaft zu machen.
Der Verkaufspreis  liegt derzeit bei 25 Rappen die Kilowattstunde – neun Rappen über dem
Standard- und drei über dem Einkaufspreis. Für den Davoser Bauern ist das Vergären
der Speiseabfälle allerdings anspruchsvoll. Denn aus Hygienegründen müssen die Essresten,
anders als die übrigen organischen Abfälle, eine Stunde lang auf 70 Grad erwärmt werden.
Erst danach können sie mit dem Rest im Fermentiersilo vermischt und bei 38 Grad
vergoren werden. Das dabei entstehende Biogas wird erst danach abgefangen, in einem
Gasmotor verbrannt und mittels Generator in Strom umgewandelt. Pro Tonne Biomasse
entstehen 190 Kilowattstunden. Die Festmasse kann der Bauer problemlos als Dünger
weiterverwenden. Die Davoser Grossanlage ist auf 2500 Tonnen organischer Abfälle im
Jahr ausgelegt – das meiste davon Speisereste. Und bereits haben die Hoteliers von Klosters
angefragt, ob auch sie die Speiseabfälle zur Verwertung in die Biogasanlage abgeben könnten.
Eine vergleichbare regionale Lösung soll nun auch im Oberwallis das Verwerten  der
Gastroabfälle ermöglich. Denn neben Zermatt suchen auch Saas Fee und Leukerbad
nach einer langfristigen Alternative zur Verbrennung.

Deshalb ist mittlerweile der Gemeindezweckverband, der die KVA in Gamsen betreibt,
tätig geworden. Er will auch eine Kompogasanlage erstellen lassen und gemeinsam mit der
Herstellerfirma sowie privaten Entsorgungsfirmen betreiben. Die Pläne wären ausführbereit.
Doch auch hier wurde der Bauentscheid vertagt. Die Gemeindedelegierten, die nach den
Neuwahlen vor wenigen Wochen neu bestellt wurden, müssen das Traktandum vor
den Sommerferien nochmals diskutieren. Sollte dann – wie erwartet – grünes Licht für die
regionale Kompogasanlage gegeben werden, wäre auch das Oberwallis jegliche Sorgen
mit den Anstandsresten seiner Feriengäste los.

Weitere Infos

Schürch Gastro Logistik
Willi Schürch
Rüdigerstrasse 10
8045 Zürich
Tel. 043 817 64 35
schuerch-gastro@bluewin.ch

und

Gemeindeverwaltung Zermatt
Ressort Umwelt und Raumordnung
2930 Zermatt
Tel. 027 966 22 42

 

 

 

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